...verschließe was Du mir bist still in Deinem Herzen

Im Jahr 1844 ließ Bettine von Arnim, geborene Brentano, in Charlottenburg ein Buch verlegen, das den ungewöhnlichen Titel trug: "Clemens Brentano´s Frühlingskranz aus Jugendbriefen ihm geflochten, wie er selbst schriftlich verlangte". Sie setzte damit ihrem Bruder Clemens ein Denkmal, der zwei Jahre zuvor gestorben war.

Jugendbriefe einem Bruder, der als reifer Mann, nämlich mit 63 Jahren gerade gestorben war - wie kam es dazu? Am Anfang sah es nicht unbedingt danach aus, als ob gerade Bettine einmal ihrem Bruder einen Frühlingskranz flechten würde: Die beiden Geschwister wuchsen zunächst getrennt voneinander auf. Erst zwei Jahre, nachdem Clemens ein Medizinstudium aufgenommen hatte, nämlich 1798 bei einem Besuch Clemens in seinem Elternhaus in Frankfurt lernten sich die damals dreizehnjährige Bettine und der sieben Jahre ältere Bruder bewusst kennen.

Dann aber sprang der Funke über: es entwickelte sich ein angeregter Briefwechsel, in dem Clemens gerne den älteren, väterlichen und damit natürlich manchmal unfreiwillig komischen Lehrmeister gab. Denn: Bettine war keineswegs der Typ Schwester, der nur darauf wartet, erklärt zu bekommen, wie man es "richtig" macht. Bettine hatte ihren eigenen Kopf und ihre eigenen Ideen.

Josef von Eichendorff urteilte, Clemens spiele in dem Briefwechsel der Geschwister "den altklugen Hofmeister gegen seine jüngere Schwester, das steht ihm seltsam zu Gesicht und wird ihm offenbar herzlich sauer, weshalb er denn auch oft genug aus der Rolle fällt und von Bettine derb ausgelacht wird."

Möglicherweise hat aber dieser starke Charakter Bettines dazu beigetragen, dass sie nach und nach zur engsten Vertrauten Brentanos wurde und ihm in vielen Krisen seines unsteten Lebens beistand. Daher also der Frühlingskranz...

Die von THEATER AM WERK unter Walla Heldermann stimmungsvoll realisierte szenische Lesung der Briefe der beiden Geschwister aus den Jahren 1800 bis 1802 lebte ganz von der suggestiven darstellerischen Kraft der beiden Darsteller Gerold Ströher, der nach Engagements beim Berliner Ensemble, in Heilbronn und Regensburg bereits drei Jahre am Koblenzer Stadttheater spielte) und Nika Wanderer aus Köln, die bereits in Film - und Fernsehproduktionen und verschiedenen Theaterinszenierungen zu sehen war. So konnte das Publikum nicht nur viel über diese ganz ungewöhnliche Geschwisterbeziehung, sondern auch über Umgangsformen, Gebräuche und Lebensumstände in der Mitte des 19. Jahrhunderts erfahren: Wenn Gerold Ströher den fürsorglich bemühten, dabei manchmal hoffnungslos überforderten Clemens Brentano gab und Nika Wanderer als Bettine höchst geschmeidig und kokett, manchmal gar mit unverhohlen erotischen Ablenkungsmanövern alle unwillkommenen Anregungen an sich abperlen ließ, dann sorgte das beim Publikum für beste Stimmung - konnte man doch erkennen, dass auch über 150 Jahre alter Geist und Witz noch funkelnd und spritzig sein können.

Einen besonderen Akzent erhielt die Aufführung durch die Musik der Jazzgitarristin Katrin Zurborg aus Frankfurt und das Klarinettenspiel von Gerold Ströher. An der Bar gab es dazu passend Wein aus Ehrenbreitstein.

Theater am Werk kommt - in anderer Besetzung - wieder zur Stommel Stiftung am 29.11. mit dem weihnachtlich - komödiantischen Krippenspiel "Ox und Esel" (mit theaterpädagogischer Einführung für Kinder und Jugendliche: "Wie kommen Ox und Esel auf die Bühne").

Impressionen der Veranstaltung

(zum Vergrößern auf das jeweilige Bild klicken)

v.l.n.r.: Gerold Ströher, Nika Wanderer, Katrin Zurborg
Besucher auf der Terrasse, 3.v.l.: Walla Heldermann